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Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2025 haben die Kirchengemeinden Horsten, Gödens, das Rogate-Kloster Sankt Michael, das Demokratie-Projekt FrieslandVisionen und der Beauftragte für den interreligiösen Dialog im Landkreis Friesland zu einem Gedenkgebet in die Ev. Kirche eingeladen. In diesem Jahr wurde der 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gegangen. Die folgende Ansprache hat Bürgermeister Stephan Eiklenborg (Gemeinde Sande/Friesland) zum Abschluss in der ehemaligen Synagoge Neustadtgödens gehalten:
"80 Jahre ist es her, dass Auschwitz befreit wurde. Viele Menschen, die danach in Deutschland geboren wurden, leben bereits nicht mehr (meine Elterngeneration). Aber die Erinnerung steht. Auschwitz zeigte und zeigt, was Menschen anderen Menschen antun können. Die Verwendung von Zyklon B wurde gelobt, weil es doch effizienter war und weniger Blut floss. Menschen als Täter koppeln sich ab vom Leid der Menschen, die Opfer sind: Opfer eines enthemmten Staates, der festlegt, was lebenswert ist und was sterben muss. Dieses perverse Handeln ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Undenkbar, eigentlich! Es ist sicher ein Fehler, etwas nicht sehen oder besser gesagt erkennen zu wollen, weil es ja undenkbar ist. Und heute? Wir hielten auch einiges für undenkbar. Russland greift die Ukraine an und tötet gezielt Zivilisten. Der amerikanische Wähler läuft einem als Politiker getarnten narzisstischen Geschäftsmann nach, der lügt, dass sich die Balken biegen. An seiner Seite ein großes Kind, Elon Musk, der mit seinem Geld und seiner Internetmacht unsäglichen Einfluss hat. Das stört sogar Steve Bannon, der Musk dafür kritisiert, dass er sich für die Beibehaltung des sogenannten H1B-Visums einsetzt. Passt Bannon nicht; er will, dass nur Amerikaner die Jobs im Land bekommen.
Warum erwähne ich das hier? Nationalismus, Ausgrenzung und Wertung von Menschen – verächtlich machen und denunzieren von höchster staatlicher Stelle. Das schleicht sich mit Macht wieder in die Köpfe – auch hier bei uns. Wer sich dabei erwischt, Nationalismus und Wertung von Menschen irgendwie gar nicht so schlecht zu finden, ist schon zu weit gegangen und wird sich nicht mehr gegen die weitere Entwicklung wehren.
Wer glaubt, radikale politische Kräfte hätten das Wohl der Menschen im eigenen Land im Auge, lässt sich täuschen und lässt sich offenbar gerne von Parolen beeinflussen, die einfache Lösungen vorgeben. Die Welt ist zu komplex für einfache populistische Lösungen. Wir alle müssen auch 80 Jahre nach Auschwitz kritisch bleiben, hinterfragen und Diskussionen nicht scheuen; darauf wird es ankommen – auch und gerade im privaten Kreis.
Ein englischer Dokumentarspielfilm ging einmal der Frage nach, was der Grund war, dass Auschwitz und andere Vernichtungslager möglich waren. Das Fazit war: fehlendes Mitgefühl. Ich ergänze: Es wurde einfach zugelassen.
Stellt sich zum Ende meiner Rede die Frage: Wo stehen wir heute? Sich zu empören wird am Ende nicht reichen. Am 23. Februar 2025 sind Bundestagswahlen – eine Möglichkeit, die Mitte der Gesellschaft zu stärken und nicht radikalen Kräften das Feld zu überlassen.
In diesem Sinne: Schalom."
Bürgermeister Stephan Eiklenborg (Gemeinde Sande/Friesland)